Astronomie und Astrologie sind zwei Schwestern, die sich auf scheinbar unvereinbare Entwicklungswege begeben haben.
Zwei Schwestern
Die wissenschaftsbasierte Astronomie nimmt alles Nachweisbare und materiell Überprüfbare in sich auf und ist in den letzten Jahrhunderten vorgestoßen in die Weiten des Weltalls bis an die Grenzen unseres Universums, wobei die abendländische Astrologie diese Entwicklungen nicht mitgemacht hat.
Die Lehre der Astrologie basiert zunächst einmal auf der Grundannahme, dass Kräfte im Weltall Einwirkungen auf uns Menschen haben, was die Astronomie wiederum generell als unwissenschaftlich ablehnt. Wenn man sich allerdings mit Astronomen austauscht, so erkennt man in den meisten Fällen, dass sie eine Liebe zu diesen unermesslichen Weiten in sich verspüren und nicht selten sogar von mystischen Eindrücken erfasst werden in ihrer Arbeit.
Auf der anderen Seite versuchen Astrologen sich eher wissenschaftlich objektiv zu geben, auch durchaus skeptische Haltungen zu zeigen, in einigen Fällen relativieren sie sogar die Grundannahme der Astrologie des Einflusses der Gestirne (insbesondere die "psychologische Astrologie").
Möglicherweise sind beide Schwestern ein wenig orientierungslos geworden ohne die andere Seite: sie haben sich voneinander weg bewegt, wenden jedoch insgeheim den Blick halb zurück zur fehlenden Hälfte: die Astronomen in ihrer (manchmal mystischen) Faszination und die Astrologen in dem etwas konfusen Bemühen um wissenschaftliche Objektivität.
So weit sind die beiden Schwestern vielleicht gar nicht voneinander entfernt?
Erschütterungen in der Astrologiewelt
Vor einigen Jahren wurde die Astrologie-Gemeinde erschüttert durch einige Bemerkungen eines Astronomen am Minneapolis Community College namens Parke Kunkle (Interview auf Vimeo, Artikel Süddeutsche Zeitung).
Kunkle sorgte für Aufsehen, als er darauf hinwies, dass die meisten Menschen ein völlig anderes Sonnenzeichen haben als sie eigentlich denken. Die Reaktionen waren oft auf Seite der Astrologie-Fans ein entsetztes Ablehnen der "neuen Ideen" oder ein Sich-Weigern, weiterhin an die Astrologie zu glauben. Und die Welt der Astrologen bemühte sich, die Wogen wieder zu glätten und abzuwinken: die Phänomene, die Kunkle beschrieb, seien jedem Astrologen bekannt und jeder wisse damit umzugehen. Es wurde darauf hingewiesen, dass seriöse Astrologie auch bedeutende Ergebnisse vorzuweisen hätte, was die etablierten Astrologen als genügend Berechtigung sahen, unverändert mit ihrem traditionellen System weiter zu arbeiten.
Astrologie: ein fiktives System, das einfach funktioniert?
Ein Astrologe und Physiker meiner Bekanntschaft sagte einmal, die Astrologie sei ein fiktives System, das einfach irgendwie funktioniere. Und als fiktives System lässt sich die abendländische Astrologie durchaus beschreiben, da sie von fiktiven, nicht realen Stellungen der Gestirne ausgeht (mehr erfahren "Authentische Astrologie"). Jedoch scheint es konventionellen Astrologen schwer zu fallen, ihr Vorstellungsmodell wieder der astronomischen Realität anzupassen: „Never change a running system“ („Ändere nie ein laufendes System“) ist bekanntlich die Devise von Technikern und, anscheinend, auch der westlichen Astrologen.
In dieser fiktiven, nicht klaren Vorstellungswelt scheinen sich Astrologen sogar immer weiter gegenseitig in Verwirrung zu führen. Neulich las ich in einem Fachartikel: „Kein renommierter Astrologe wird behaupten, dass uns die Gestirne tatsächlich beeinflussen….“.
Welch befremdliche, ja paradoxe Aussage! Schließlich basiert astrologisches Denken auf nichts anderem, als dass uns Gestirne beeinflussen! Wie es aussieht, ist also die westliche Astrologie dabei, die Leinen zu ihrer ursprünglichen Grundannahme zu kappen und wie eine Blase in einen luftleeren Raum zu steigen - ohne wesentliche Bodenhaftung.
Verquickung von Wissenschaft und Materialismus
Hinter der Haltung westlicher Astrologen steckt möglicherweise eine merkwürdige Verquickung von Wissenschaft und Materialismus: der Glaubenssatz, Wissenschaft dürfe nur ernst nehmen, was in der Materie nachprüfbar ist und nur mit solchen (materiell) nachweisbaren Dingen sollte sich Wissenschaft beschäftigen. Es wird dabei übersehen, dass Wissenschaft nur eine Methode der Beobachtung ist, die sich sehr wohl mit allen Dingen beschäftigen kann und auch vorurteilslos Themen behandeln könnte und kann, die nicht materiell nachweisbar sind – was sie ja auch durchaus tut in den Geisteswissenschaften.
Wissenschaftlichkeit ist eine Methode, ein Werkzeug, und sie darf kein Dogma sein, das festlegt, dieses Thema ist es würdig, weiter betrachtet zu werden und jenes nicht. Wenn es jemanden zur wissenschaftlichen Untersuchung eines Themas drängt, dann wird man anhand der Ergebnisse weitersehen können.
Eine Einladung?
Möglicherweise war sich Parke Kunkle all dessen bewusst, vielleicht waren seine Äußerungen sogar eine versteckte Einladung? Denn was spräche tatsächlich dagegen, auch Astrologie mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen?
Wenn dies der Fall war, so lag Kunkles Einladung jedoch etwas unscheinbar hinter einer eher provokanten Aufforderung versteckt: „Aber zeigt zunächst erst mal Konsequenz und sorgt dafür, dass Astrologie auch ernst genommen werden kann, indem ihr mit den tatsächlichen astronomischen Stellungen der Gestirne rechnet!“
Frühere Versuche einer Annäherung
Nun ist es allerdings nicht so, dass es im Westen keine Ansätze hin zu einer authentischeren Astrologie gegeben hätte. Beispielsweise bemühten sich die Androposophen zu Beginn des letzten Jahrhunderts darum. Sie gingen vom Einfluss der Gestirne aus und verwendeten die korrekten Planetenstände. Es gibt immer noch einige Anhänger dieser Lehre und bekannt ist vor allem der Mondkalender von Maria Thun, der sich weiterhin einiger Beliebtheit erfreut.
Aufbruch ins Wassermann-Zeitalter?
Seit einigen Jahren ist viel die Rede vom Wassermann-Zeitalter, das herbeigesehnt wird als lebbares Paradies. Nun dauert es noch beinahe 500 Jahre, bis der Frühlingspunkt wirklich 29°59'59'' Wassermann erreicht hat. Doch sicher befinden wir uns als Menschheit schon jetzt im Aufbruch in dieses Zeitalter, das von Klarheit und wassermännischem Streben nach Wahrhaftigkeit geprägt sein wird.
Vielleicht kann erst jetzt in diesem Aufbruch, in diesem Bestreben nach Wahrhaftigkeit und Freiheit von traditionellen Zwängen, die Verwirrung in der abendländischen Astrologie geklärt werden und eine Annäherung von Astrologie und Astronomie herbeigeführt werden.
Astrologie kann wieder authentisch gemacht werden, womit auch eine solide Basis geschaffen wird für wissenschaftliche Untersuchungen der Planetenstände und deren Wirkung auf einzelne und auf das Weltgeschehen. Und auf diesem Weg kann die Astrologie möglicherweise wieder das werden, was sie einmal war: eine Wissenschaft, vielleicht diesmal eine eigenständige Wissenschaft, eine gleichwertige Schwester unter vielen.